"Alles was wir sehen, kann auch anders gesehen werden. Ich frage mich deshalb: Ist nicht ohnehin alles was wir sehen bloss eine Illusion?". Sandro Del Pretes Gedanken zur menschlichen Betrachtungsweise bilden den mentalen Ausgangspunkt und die innere Triebfeder seiner künstlerischen Tätigkeiten. Nachdem der in Bern geborene Del Prete auf Geheiss seines Vaters die Handelsmatura abgeschlossen und genügend Ersparnisse beisammen hat, kann er sich endlich seiner grossen Leidenschaft widmen. Studium in Italien Florenz: die Stadt der schönen Künste bildet die Anfangsstätte des künstlerischen Schaffens des damals 23-jährigen Del Prete. Dort findet er während eines halbjährigen Studienaufenthaltes an der Academia delle belle arte Zeit und ein ideales Umfeld, um seinen Weg in die Welt der Illusionen und optischen Täuschen anzutreten. An Werken Michelangelos, Rembrandts, Rubens u.a. studiert der junge Künstler Licht- und Schattentechniken, Form- und Farbgebungen sowie Strukturelemente. Neben den technischen Fertigkeiten der Altmeister vertieft sich Sandro Del Prete in Symbolik und Darstellungsmöglichkeiten innerer Verbindungen zwischen Künstler und Werk. Zurück in der Schweiz betreibt Sandro Del Prete seine Leidenschaft zuerst als Hobby. Er experimentiert zeichnend und malend, arbeitet vor allem mit Motiven sakraler Kunst, es entstehen Zeichnungen und Bilder wie jenes der "Inocencia". Zu seinen früheren Werken gehören ebenfalls erste Arbeiten mit Holz, wie beispielsweise die 1962 entstandene, dreidimensionale Gestalt "Madonna mit Kind". Die Entdeckung der optischen Täuschungen "Vor rund 30 Jahren beobachtete ich ein Chamäleon. Ich sah, wie es mit einem Auge nach vorne und mit dem anderen nach hinten schaute. Da fragte ich mich, was das Tier wohl sieht, welches Bild es von seiner kleinen Welt hat. Damit begann ich mich für andere Perspektiven zu interessieren". Del Prete versuchte Objekte auf Bildern darzustellen, die gleichzeitig von zwei verschiedenen Standpunkten aus gesehen wurden. Dabei entstand eine neue Dimension, in der die Richtungsbegriffe vorne, hinten, oben, unten, rechts, links nicht mehr angewendet werden konnten. Denn diese waren sowohl als auch, also vorne wurde gleichzeitig hinten etc. Alle Einzelteile waren aber in der Zeichnung richtig gezeichnet, nur das Ganze schien unmöglich. Bald danach experimentierte er mit weiterenTäuschungsarten wie sie in seinen Büchern zusammengefasst wurden. Ausstellungen in der eigenen Galerie 1981 erscheint Sandro Del Pretes erstes Buch "Illusorismen", dessen grosser Erfolg ihn ermuntert, im gleichen Jahr seine Galerie für optische Täuschungen, Illusoria, in Bern zu eröffnen. "Illusoria" nennt der Künstler ebenfalls sein zweites, im Jahre 1987 erschienenes Buch, mit dem sinnigen Untertitel "ein Reisebericht". Nach seinem grossen Durchbruch mit dem Buch Illusorismen hängt Sandro Del Prete seinen Beruf als SUVA-Inspektor 1981 an den Nagel und beschliesst, künftig nur noch zu zeichnen, malen und modellieren. Im April 1986 schliesslich wird der, nun zu neuem Leben erweckte "Laubengaffer", in der Schweizerhof-Passage in Bern erstmals enthüllt. Er folgt den Bernerinnen und Berner auf Schritt und Tritt und sorgt für einige Verwirrung. Seit dem Herbst 1997 erhielt der "Laubengaffer" einen neuen ehrenvollen Platz im Berner Hauptbahnhof.